Zwei Buchgeschäfte in Berlin

Der echte Hardcore-Gourmet hat natürlich auch ein Faible für Kochbücher, Speisekarten, alte Weinetiketten oder andere kulinarische „Ephemeria“. Der echte Hardcore-Gourmet hat auch größere Schwierigkeiten, überhaupt eine „normale“ Buchhandlung zu betreten, weil ihm das nach Discounter-Art auf schnellen Massenumsatz getrimmte Angebot sofort auf den Magen schlägt. Er wird vielleicht immer noch dem Kölner Laden „Buchgourmet“ nachtrauern, wo man zu jeder Zeit nicht nur Antiquarisches und ein tiefes Sortiment vorfinden konnte, sondern vor allem auch ganz aktuelle internationale Veröffentlichungen, die normalerweise in keiner deutschen Buchhandlung jemals zu finden waren. Und so werden nun die wenigen Adressen, die es in Deutschland in dieser Richtung noch gibt, zu einer Art von Wallfahrtsorten. Ich jedenfalls spüre da immer ein leichtes Kribbeln.

Der Weg führt heute zu zwei Läden in Berlin, die auf ganz unterschiedliche Weise von großem Interesse sind. Man spaziert dazu am besten in Mitte die interessante Auguststraße entlang, wo sich in Nummer 28 „do you read me?!“ findet. Dieser Laden ist auf internationale Zeitschriften rund um Kunst, Design usw. spezialisiert und führt auch eine ganze Reihe von kulinarischen Titeln aus dem Grenzbereich zwischen Szene, alternativer Kultur und Kunst. Diese Titel (wie etwa die aus Kanada stammende Zeitschrift „Ambrosia“) verschaffen einen Einblick in kulinarisch-kulturelle Aktivitäten, von denen man in den Mainstream-Essenszeitschriften normalerweise nie etwas mitbekommt. In der aktuellen Ausgabe von „Ambrosia“ geht es z.B. um das neue Interesse in Kalifornien an Brot und Rezepten mit Brot und entsprechenden Restaurants. Auch in anderen Publikationen findet man kreative Entwicklungen, die sozusagen „von unten“ kommen und in denen sich etwa kreative Spitzenküche der Nova Regio – Abteilung und alternative Kultur immer näher kommen. Auf www.doyoureadme.de kann man weitere Informationen bekommen.

Wenn man die Auguststraße (an der auch der „Pauly-Saal“ liegt) weiter verfolgt, kommt man in die Nähe des belebten Rosenthaler Platzes. Nicht weit entfernt davon liegt in der Zehdenicker Straße 16 die „Bibliotheca Culinaria“, nach eigenen Angaben mit rund 30.000 Büchern das größte deutsche kulinarische Antiquariat. Es liegt wenig pompös im Souterrain und ist eine echte Wundertüte. Neuere Bücher gibt es nur in begrenzter Zahl, dafür rund 1000 Bände vor 1900 und aus den letzten Jahrzehnten vor allem viel Material für diejenigen Kenner, die alle Dinge rund ums Essen auch immer unter kulturhistorischen Aspekten sehen. Für mich sind zum Beispiel alte Speisekarten eine unverzichtbare Quelle. Über das, was sich im letzten Jahrhundert zu bestimmten Zeiten kulinarisch abgespielt hat, bekommt man kaum soviel Informationen wie in Speisekarten. Bei meinem aktuellen Besuch habe ich in der Bibliotheca zum Beispiel eine Speisekarte von den Olympischen Spielen 1936 kaufen können. Dazu auch Speisekarten großer DDR-Hotels usw. usf.

Das Angebot ist so groß, dass man entweder mit einem klaren Konzept und klaren Fragen kommen oder sich sehr viel Zeit nehmen sollte. Ich habe zum Beispiel noch gewisse Lücken in der frühen französischen Spitzenküche nach 1950 und konnte wieder einen guten Band von Raymond Oliver finden. Inhaber Swen Kernemann-Mohr ist ein sehr freundlicher Herr, der hier kein Luxusantiquariat im Sinne hat (obwohl er eine ganze Reihe hochwertiger Titel besitzt), sondern eher so etwas wie eine Fundgrube für Kenner, die manchmal – sagen wir: auch ein ganz einfaches Taschenbuch aus den 1960er Jahren suchen. Eine echte Spezialisierung gibt es nicht, die Schwerpunkte ergeben sich je nach Lage der Bestände. Natürlich gibt es Abteilungen zur französischen Spitzenküche, fremdsprachige Bücher aus anderen Ländern als Frankreich, signierte Exemplare/Widmungsexemplare prominenter Köche und immer wieder auch seltene Ausgaben, die wegen ihrer geringen Auflage kaum jemals bekannt wurden. Es macht also wirklich Spaß dort. Die „Bibliotheca Culinaria“ ist einfach glatt zu empfehlen.

4 Gedanken zu „Zwei Buchgeschäfte in Berlin“

  1. Lieber Herr Dollase,
    Da ist Ihnen ein wichtiger Name in Berlin entgangen. Golhahn & Sampson, die mich ähnlich dem Buchgourmet zu beigesterten Kochbuchausgaben verführten. Natürlich machte der Beitrag des Teams im Buchgourmet vieles aus. Eben so die Sortierung. Die Ketten haben häufig ein ähnliches Standardangebot, da stimme ich zu. Die sind klar am Markt orientiert. Sie als Liebhaber, haben aber bestimmt gute Infomationen, zu den kleinen Verlagen. Wie beispielsweise der familiäre Hädecke Verlag. Inhabergeführte Buchläden können leider kein umfangreiches Sortiment bevorraten. Die überwiegende Anzahl von kulinarischen Buchkäufern, wird selten Preise zahlen, die Fachbuchverlage aufrufen. Auch die hervorragenden Bücher, aus der Edition Port Culinaire, brauchen Käufer die den Wert schätzen und zahlen. Die Konkurrenz frei verfügbarer Inspirationen ist Riesig, der Anspruch und oder Experimentierfreude vermutlich geringer. Wenn Sie, in der Kochbuch Top 100, der verkauften Bücher einer Online Plattform schauen, wird der Bedarf angeuzeigt. Auf Platz 43 rangierte gerade eben, ein Buch von Yotam Ottolenghi. Offene Fragen, die sich mir stellen, finde ich selten in Büchern beantwortet. Trotzdem, gibt es immer wieder Bücher die mich begeistern, die erworbenen werden, die ich mir gerne leisten würde, die mir nur teilweise zusagen oder aktuell schlicht zu teuer sind, wie „Etxebarriri von Bittor Arginzoninz,“ (andere Prioritäten das Budget schmälern. Wie z.B. ein platter Reifen, wo von heute auf morgen, zwei ersetzt werden ). Ein weiteres Argument ist mittlerweile auch der, dass der Platz für hinzukommende Bücher begrenzt ist.

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  2. Dass es den „Buchgourmet“ nicht mehr gibt ist weiterhin zu betrauern.
    Ansonsten: Ein netter „Standard“- Kochbuchladen im Rheinland ist Frank Petzchen in Düsseldorf.

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  3. Tut mir leid, aber ich finde zu meinem allergrößten Bedauern in einem der normalen Ketten-Buchhandel keine kulinarischen Bücher mehr, die mich interessieren. Ich finde es auch sehr schlecht, dass diese Läden quasi kein Sortiment mehr haben, also anscheinend gar kein Interesse mehr daran haben, eine gute kulinarische Palette anzubieten. Auffällig ist, dass die Bücher der wirklichen Spitzenköche kaum jemals vorkommen, sondern meist nur die Bücher der Leute/Autoren, die mit dem Ausschlachten der Ideen der kreativen Spitzenköche ihr Geschäft machen.

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  4. Ich bin ein Hardcore gourmet!!größere Schwierigkeiten habe ich trotzdem nicht einen normalen Buchhandel zubetreten,das ist ja völliger Quatsch was sie da schreiben.Genau so wenig habe ich Probleme damit in Mainstream oder bürgerliche Restaurants zu speisen.Der Hardcore gourmet sollte für alles offen sein und nicht nur sein persönlicher Geschmack und Vorlieben favorisieren.

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