Ali Güngörmüs: Meine Aromenküche. Mediterran – orientalisch – besonders. Dorling Kindersley Verlag, München 2019. 224 S., geb., 24.95 Euro

Als ich vor etlichen Jahren zum ersten Mal Ali Güngörmüs in Hamburg im „Le Canard Nouveau“ besuchte, fand ich seine Küche interessant, aber vielleicht noch ein wenig auf der vorsichtigen Seite. Man ahnte, dass seine Stärken in einer mediterran-orientalischen Küche liegen könnten, hatte aber den Eindruck, als ob er einfach nicht zu weit vorpreschen wollte, um seine Bewertungen nicht aufs Spiel zu setzen. Damals, im Jahr 2005, gab es eben noch nicht an jeder Ecke jede Küche, und wie weit man für gute Bewertungen im Michelin von einer klassisch fundierten Linie abweichen konnte, war nie so ganz sicher.
Mittlerweile hat sich die Lage komplett entspannt. Güngörmüs ist längst wieder in München und kocht im „Pageou“ das, was er offensichtlich am besten kann. Für sein neues Buch hat man einen guten Schritt getan. Man hat als Basis nicht das genommen, was er am Abend als elaborierte Spitzenküche anbietet, sondern Gerichte vom Lunchmenü (2 Gänge 39 Euro, jeder zusätzliche Gang 15 Euro). Solche Gerichte entstehen üblicherweise unter gewissen preislichen und küchentechnischen Überlegungen. Die Produkte dürfen nicht zu kostspielig sein, die Herstellung nicht zu aufwändig und schnell soll es im Falle eines Falles auch noch gehen. Dass solche Überlegungen viel mit dem zu tun hat, was man vielleicht zu Hause hinbekommen könnte, versteht sich von selber. Es ist also angerichtet…

Das Buch
„Meine Aromenküche“ ist ein reines Kochbuch ohne den geringsten Starkult. Von Güngörmüs gibt es zu Beginn ein Bild in Jeans und T-Shirt im Restaurant, später ein paar Mini-Fotos bei der Arbeit, das ist alles. Auch im Verlauf des Buches fehlt jedes Beiwerk, also zum Beispiel auch jede Form von Bildern aus seiner türkischen Heimat, wo er immerhin die ersten 10 Jahre seines Lebens verbracht hat. Man wollte also offensichtlich ein nützliches Buch mit Alltagstauglichkeit realisieren und nicht etwa irgendein Thema (wie zuletzt bei Nelson Müller) im Zusammenhang mit dem Namen vermarkten. Nach einem kurzen Vorwort von Güngörmüs gibt es ganz klassisch Vorspeisen, Hauptgerichte und Desserts, unterbrochen von „Aromenschulen“ für Kräuter, Gewürze, Gewürzmischungen, Früchte und „Käse, Nüsse und Ausgefallenes“. Den Abschluss bilden Grundzubereitungen und ein Glossar.

Bei den Vorspeisen findet man zum Beispiel einen „Mediterranen Gemüse-Börek mit Tsatsiki“ bei dem man natürlich sofort danach forscht, wie er das Problem mit den oft penetrant nach Fritteuse schmeckenden Teigtaschen in den Griff bekommt (er backt natürlich im Ofen…). Es gibt Falafel in einer erfrischend-aufgelockerten Form mit Limettenjoghurt und Aprikosen-Fenchel-Salat, einen originellen Linsen-Salat mit Brokkoli, Tomaten-Kapern-Aioli und Pecorino oder eine Rote Bete-Carpaccio mit gebackenen Schwarzwurzeln und geräucherter Joghurt. Die Hauptgerichte liegen auf einer Grenze zwischen Süffigkeit, einer gewissen mediterranen Rustikalität (hier im Sinne von unmittelbaren, klaren und kräftigen Aromen ohne viel Manipulationen) und einem durchaus kräftigen Zugriff bei manchen Gerichten mit Gewürzen. Es gibt zum Beispiel ein Kalbspaillard mit Grenaille-Kartoffeln, Ofengemüse, Oliven und Pesto, die Lammkoteletts einzeln gebraten mit Kichererbsensalat und Gewürzjoghurt oder die „Perlhuhnbrust gebraten mit Fregola Sarda, Pak Choi und Brokkoli“.

Wenn man sich die Rezeptdetails ansieht, fällt natürlich ein gewisser Aufwand auf. Beim Kabeljau mit Graupen-Gurken-Ragout und Kürbisschaum etwa wird der Kürbisschaum mit u.a. Zitronengras, Ingwer, Currypulver und Passionsfruchtsaft angereichert, also nicht gerade auf dem direktest-möglichen Weg angesteuert. Auch andere Zubereitungen funktionieren ähnlich. Überprüft man sie auf den tatsächlichen Arbeitsaufwand, fällt aber auf, dass er sich meist in Grenzen hält. Es gibt allerlei Zutaten, aber nicht unbedingt einen großen kochtechnischen Aufwand. Zusammen mit den guten und detaillierten Beschreibungen der Gerichte ergibt sich so exakt jene Nützlichkeit, die für das ganze Buch charakteristisch ist. Die Rolle des Autors ist es vor allem, Ideen zu geben, die tragen, Spaß machen und wegen einer gut entwickelten Kochtechnik gut umzusetzen sind. Das gelingt. Und das macht die „Aromenküche“ zu einem sinnvollen Buch.

Fazit
„Meine Aromenküche“ von Ali Güngörmüs setzt sich erfreulich klar von den vielen mehr oder weniger sinnfreien Veröffentlichungen anderer prominenter Köche ab. Hier liefert ein Koch seine spezielle Vorstellung und gleichzeitig auch noch einen guten Maßstab, der geeignet ist, die Unzahl von mehr oder weniger grob gestrickten orientalisch-mediterranen Veröffentlichungen qualitativ neu zu definieren. Bei Güngörmüs wird nicht kulinarisch sinnlos und kontraproduktiv „auf Optik“ gekocht, sondern mit dem Wissen und dem ästhetischen Hintergrund eines Kochs von gehobenem Niveau. Man kann sich sehr gut vorstellen, solche Rezepte auch im täglichen Gebrauch zu realisieren oder sich von ihnen inspirieren zu lassen. Lediglich bei den Desserts geht es vielleicht etwas zurückhaltender und weniger inspiriert zu

Das Buch bekommt 1 grünes B, in Teilen aber auch 2 BB

Fotos © Dorling Kindersley Verlag

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