Das „Bootshaus“ im Traunsee-Hotel und ein Wirtshaus nebenan

Beim Seehotel „Das Traunsee“ in Traunkirchen in Österreich kommen wirklich eine ganze Menge guter Dinge zusammen. Da ist einmal die spektakuläre Lage des Hotels und der kleinformatigen Halbinsel gleich nebenan. Dann die Aussicht vom Hotel mit seinen vielen schönen Zimmern zur Seeseite, vor allem aber ein kulinarisches Gen, wie man es in solchen populären Häusern selten findet. Neben dem Spitzenrestaurant „Bootshaus“ mit dem hochtalentierten Chefkoch Lukas Nagl gibt es das jährliche Wirtshausfestival „Felix“ (das eigentlich ein Gourmetfestival, aber ohne den üblichen Pomp ist) und vor allem im nahe gelegenen „Symposion Hotel Post“ mit dem „Wirtshaus Poststube 1327“ ein optimiertes und modernisiertes Wirtshauskonzept, das wirklich trägt. Auch dieses Wirtshaus gehört zum Reich von Familie Göller. Chef Wolfgang Göller gehört zu den wenigen kulinarischen Köpfen, die ihre Arbeit nicht nur unter wirtschaftlichen Aspekten genau abstimmen, sondern enorm viel über Genuss und Küche und gut funktionierende „Formate“ reflektiert haben.

Hier einige sehr interessante Gerichte aus dem „Bootshaus“:

Falsche Auster
Ein Amuse Bouche, bei dem die Auster nicht „falsch“ im Sinne von „nachgebaut“ ist, sondern einfach ein anderes Produkt, nämlich ein Pilz (Tintling). Dass das Ganze wie eine Auster wirkt, hat eher etwas mit dem assoziativen Kontext zu tun, der sich über die weiteren Elemente ergibt. Es schmeckt mit Gurken, Kümmelkeimen etc. wie eine Austernbegleitung. Und weil dann die Textur des Pilzes dem nicht wirklich entgegensteht und das Gericht auch noch in einer Austernschale serviert wird, „spielt“ das Gehirn mit. – Eine (von diversen) schönen Kleinigkeiten vorweg, die optimal die Aufgabe eines Amuse erfüllen.

„German Gold“ – Paradeiser mit Physalis und Liebstöckelöl
„German Gold“ ist eine schon recht alte deutsche Fleischtomatensorte, die hier von Lukas Nagl in einer außergewöhnlich produktnahen und sensiblen Art in Szene gesetzt wird. Speziell mit Physalis und Liebstöckel ergibt sich ein variantenreiches, neuartig wirkendes Spiel – besonders im Sud. Im Laufe des Essens vermischen sich der Paradeiser-Physalis- Saft und das Liebstöckelöl zu immer neuen Proportionen, die mit den zurückhaltend zwischen roh-mariniert und dezent angegart klar entwickelten Tomatenelementen hervorragend harmonieren. Dezente Beigaben von kleinen Nußstückchen sorgen für texturelle Auflockerungen. Das Gericht wirkt in seiner Perfektion meisterlich und von einem „anderen“, weit fortgeschrittenen Verständnis von Tomate geprägt.

Goldrüben – Apfelquitte, Distelöl, Saiblingsrogen
Auch bei dieser kleinteiligen Komposition rund um die Goldrübe spielt Liebstöckel wieder eine Rolle, schmeckt hier aber komplett anders. Die am Tisch angegossene Vinaigrette ist eine Goldrüben-Vinaigrette. Dazu kommen neben den Stückchen Apfelquitte und dem Saiblingsrogen Sauerampferblätter und Topfen, von der Rübe Würfel, aufgerollte Streifen und konfierte Stücke. Wieder hat man den Eindruck eines weit entwickelten Geschmacksbildes (speziell mit dem fein eingebauten Topfen), das einen ebenso routinierten wie inspirierten Umgang mit Gemüse verrät. Der Differenzierungsgrad bei dieser Vorspeise ist sehr hoch, jede Probe schmeckt anders, nicht unbedingt vegetabil-brut, sondern hochfein und in Nuancen gedacht. Auch der Sauerampfer ist bei weitem nicht nur Dekoration, sondern kommt in diesem milden Zusammenhang sehr gut zur Wirkung.

Traunbarsch – Haselnüsse, Fisolen, Rohmilchbutter
Immer wenn man in einem Restaurant isst, das wirklich direkten Zugang zu Fisch besitzt und die Frische (oder auch Reifung) von Fisch vollständig unter Kontrolle hat, ergeben sich die besonderen Fischgericht-Momente . Es spielt keine Rolle, dass der Traunbarsch nicht aus der Bretagne kommt und mit der Angel im kleinen Boot geangelt wurde. Hier zählt die makellose Frische und eine Inszenierung dieses Produktes, die exakt darauf eingeht. Trotz des eher rohen Eindrucks ist das Fleisch eher fest, was sich sensorisch dann vor allem im Zusammenhang mit den Beilagen auszahlt: der Fischgeschmack blendet durch und steht in jedem Zusammenhang so frei, dass man seine wunderbare Qualität genießen kann. Trotzdem braucht man in der Begleitung vielleicht nicht so viele Bohnen (Fisolen) und auch nicht unbedingt so viele Birnenscheiben. Mit diesen beiden Zutaten erinnert das Gericht natürlich ein wenig an „Birne, Bohne, Speck“, bleibt aber im Grunde immer klar auf das Hauptprodukt bezogen. Interessant ist auch die Wirkung der leicht angereichert schmeckenden Butter, die dem Ganzen eine durchaus unkonventionelle Butternote gibt. Die jungen Haselnüsse bringen im Zusammenhang mit den Bohnen einen dezent rustikalen Touch. Insgesamt ist dies vor allem eine sehr gute Degustation für den Traunseebarsch (den es immer noch in guter Menge gibt).

Rutzenmoser Bio-Lamm – Feigen, Berglinsen, Puntarelle
Die Natürlichkeit des Zugriffs in der Küche von Lukas Nagl beeindruckt auch beim Hauptgericht, einem sehr guten regionalen Lamm (vom Gnigler Hof) mit einer deutlichen „Stammwürze“ (also einem deutlichen Lammaroma). Der Geschmack wirkt in diesem Zusammenhang authentisch, nicht wie ein Zuchtprodukt für den internationalen Markt, sondern wie ein Produkt der Region, das sorgfältig aufgezogen und ernährt wurde. Die Beilagen mit Feigen, Linsen und Puntarelle lassen zuerst einmal wenig auf den Zusammenhang schließen. Man ahnt ein gewisses Spiel mit Süße und Herbheit, immer eingefasst in deutliche Texturen von der Linsenfüllung für die Feigen und der Chicoree-Sorte. Auf der anderen Seite prägen Fettschichten und krosse Haut die zwei verschiedenen Lammstücke (Rücken und Nacken). Vor allem bei einem ausgewogenen Vollakkord entsteht dann aber ein erstaunlich individuelles und originelles Gesamtbild, das deutlich von den üblichen Klischees rund um Lammgerichte abweicht. Weil es aber sofort gut schmeckt (immer eine gute Balance mit den Bitternoten vorausgesetzt), fällt diese Qualität wieder deutlich auf Koch Nagl zurück, der quasi in seinem ganzen Programm eine verfeinert bodenständige Linie von hoher Qualität beibehält und dabei eine beträchtliche Originalität entwickelt.

Im Wirtshaus
Im Hotel Post gab es früher ein Haubenrestaurant, das man dann mit neuem Konzept in ein Wirtshaus umwandeln wollte, das modernen Ansprüchen an eine Revision und Optimierung der Wirtshausküche genügen sollte. Nun – mittlerweile hat man wieder ein Haube bekommen, weil die schiere Qualität der Gerichte auch bei einer leicht modernisierten Wirtshausküche selbstverständlich auch immer Gourmet-Qualitäten erreichen kann. Weil Chefkoch Lukas Nagl natürlich auch hier am Konzept mitarbeitet, habe ich zumindest ein paar Impressionen beigefügt – ein Tatar, ein Innereiengericht und Kochfleisch. Das „Ausmaß“ an Veränderung ist hier teilweise deutlich. Es geht also nicht unbedingt darum, nur durch gute Produkte und eine sensorisch bessere Struktur die traditionellen Gerichte der Wirtshaus-Küche lediglich zu optimieren. Es geht durchaus darum, das Potential von traditionellen Gerichten zu erkennen und unter Beibehaltung eines Geschmacksbildes, das alle Gäste identifizieren und mit ihren Erinnerungen verknüpfen können, so gut wie möglich auszuschöpfen. Das gelingt hier sehr gut und man ißt genau in der richtigen Balance zwischen „leckerem“ Essen, das nicht durch allzu viele Überraschungen irritiert und immer wieder interessanten und durchaus auch einmal anspruchsvollen Momenten.

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