Der Koch und ich – Kapitel 12 Reise ins Trüffelherz oder: Man gönnt sich ja sonst auch alles

Ich war inzwischen auch dem Ahrtrüffelverein beigetreten. Die bereits angelegte Trüffiere verlangte intensive Pflege, aber wir wussten alle nicht so richtig, was besonders zu beachten ist, um baldige Trüffelernte zu erwarten. Deshalb wurde erwogen, ein Vereinsmitglied zu ernennen, welches sich bei den befreundeten Franzosen kundig machen sollte. Tja, wer? Es bot sich eine treffende Gelegenheit.

Maître Jean-Marie hatte Kochparty, Dieter Weinprobe, Susanne Yogakurs, Ulla`s Patenkind Geburtstag, Colette wurde dringend im Service gebraucht. Also war es selbstverständlich für alle, dass ich nach Brantôme und Sorges ins Périgord zum zwanzigjährigen Bestehen der dortigen Trüffelorganisation fahren sollte. Sie hatte jemand aus unserem Verein eingeladen. Aus viel mehr Personen, als die oben genannten und die aktiv an der Trüffel arbeiteten, bestand unser Verein ohnehin nicht, außerdem hätte ich kein Patenkind, veranstalte keine Kochpartys oder Weinproben, nahm höchstens an solchen teil und im Service bin ich auch selten hilfreich. So wurde der 17. Januar 2008 als Abreisetag für mich einfach gebucht und zwar von Monique und Jean-Claude Pargney, die ich zwei Wochen vor Abreise im Restaurant Vieux Sinzig traf. Mein Freund Jean-Marie Dumaine hatte mal wieder seine Hände im Spiel und eine Reise für mich organisiert. Alles weitere würden wir in Nancy besprechen, meinte Jean-Claude, seine Monique lächelte zustimmend, denn es war eine Zwischenübernachtung bei den Pargneys geplant.
Nach Brantôme, dem Venedig des Périgord zu reisen, war natürlich eine Versuchung, der ich bereits nach zwei Sekunden Bedenkzeit unterlag und auch nach Sorges, der Trüffelmetropole. Welche Möglichkeit, die Künste der Trufficulture zu erfahren, könnte sich überhaupt noch jemals bieten?
Gedacht, getan, ich notierte mir alle wichtigen Adressen, an die ich eine Ansichtskarte schicken wollte, signalisierte Schwesterherz in Saarbrücken, dass ich Donnerstag gegen Mittag, auf dem Weg nach Nancy, vorbei schauen wollte und startete, Benzin sparend, langsam fahrend, gegen neun Uhr aus Remagen-Kripp. Ich hatte mir den Megakoffer, in dem ich auch hätte übernachten können, für alle Fälle gepackt und alles ging zügig voran, bis nach Saarbrücken. Hans und Brigitte wohnen auf dem Eschberg, feinere Wohngegend, kein Problem, wenn man sich auskennt, aber ich kannte mich nicht mehr aus war ich doch erst vor sehr langer Zeit dort hingereist. Navi vergessen. Nach zwanzig Litern Super zusätzlich und Orientierungsfahrten durch mehrere Vororte. rief ich Hans an, der mit zusicherte, mich dort abzuholen, wo ich glaubte zu sein und tat es auch. Es folgte ein wunderbares Wiedersehen und ein feines Essen, ohne Fürz aber tolle Bratkartoffeln mit Feldsalat, behutsam zubereitet, sehr schmackhaft.

Nach dem Kaffee gegen drei Uhr nachmittags machte ich mich auf den Weg nach Nancy-Heillecourt und traf dort nach ca. neunzig Minuten auch wohlbehalten ein. Ich stieg aus und hatte das Haus der Pargneys noch nicht erreicht, als Monique um die Ecke bog. Sie kehrte von ihrem Tagewerk zurück, ich verstand, dass sie Katecheten ausbildet.
Monique spricht Deutsch und vor allem langsam und deutlich Französisch, sodass wir uns wunderbar verständigen konnten.
Sie servierte mir ein selbst gebrautes Bier aus Sago, das Jean-Claude kunstvoll herstellt hatte Es hatte einen ausgezeichneten Geschmack, einfach unglaublich lecker und ich zweifelte erstmalig an der Notwendigkeit der deutschen Reinheitsgebote Der Vorratskeller war gespickt mit Hand gemachten Köstlichkeiten, eingekocht in Gläsern und abgefüllt in Flaschen. Die Heimat des Bieres. Jean Claude braute es, wenn, immer Samstags und blockierte dann acht Stunden die Küche bemerkte Monique

Als auch Monsieur eintraf genossen wir das vorbereitete Abendessen, das ein ausgezeichneter Wein begleitete – Val de Loire Réserve de Vignerons Saumur 2003. Ich kostete die blauen Kartoffeln Vitellotte, mit Trüffelöl aus verschiedenen Arten, Mesentericum und Uncinatum verfeinert. Dazu Paté de Faon et Porc, Chutney und Confiture d`Onion, eine wunderbare Käseplatte, danach Äpfel mit Brombeeren eine Melange aus Mehl, Zucker und Butter war krönender Abschluß.
Die Pargneys sind nebenbei Künstler, er ist Skulpteur und Brasseur, Monique beherrscht Épinette und Psalterion, beindruckend klingende Instrumente die auch in der Kirche gespielt werden, hauptsächlich aber folkloristischen Hintergrund haben. Aber wir hörten an diesem Abend alte Chris Barber Vinyls aus den 60ern und ich erfuhr, dass die Reise ins Périgord am nächsten Tag um sieben Uhr beginnen sollte.

So war es auch. Wir starteten mit meinem Auto in Richtung Void, nahe Commercy und gelangten zu Yves Schweitzer, Trufficulteur und ehemaliger Charcutier und Traiteur, der ein großes umfriedetes Anwesen bewohnt und ich vermutete, dass hier Trüffel wachsen müssten, was auch bestätigt wurde. Madame Schweitzer bat uns zu einem frühem Kaffee ins Haus. Yves hatte einen Lagotto, den Trüffelhund an sich, dieser Rasse werden ungeheure Fähigkeiten bei der Trüffelsuche nachgesagt. Ich kann das inzwischen bestätigen. Es begann nun das Warten auf Gérard Meunier, den grau-gelockten Präsidenten des lothringischen Trüffelvereins, der aber ungewöhnlich pünktlich eintraf. Von unseren gemeinsamen Trüffelschnüffeleien in Commercy war ich anderes gewohnt Gérard fuhr zusammen mit zwei Bekannten im zweiten Auto, wir luden Jean-Marie`s Kühlkiste um, denn dieser hatte mir einige Aufträge für Spezialitäten mitgegeben. Etwa gegen halb neun ging es los in Richtung Brântome, vor uns lagen noch siebenhunderundvierzig km Frankreich. En France führen die gebührenpflichtigen Autobahnen im wesentlichen von Nord nach Süd und umgekehrt. An der Péagestation Chalons sur Soane verließen wir die Autoroute und es ging weiter über die Route Nationale in Richtung Creusot und Moulins. Das andere Auto hatten wir inzwischen aus dem Rückspiegel verloren, aber es bestand Handyverbindung als wir gegen 12:30 Uhr zum ersten Mal die Loire überquerten. Die Wegführung war nicht einfach, Jean Claude, auf dem Beifahrersitz, nickte manchmal ein und sein Kopf pendelte im Kurventakt hin und her. Meistens studierte er aber die riesige Karte, wahrscheinlich Maßstab 1:1 und gab Yves die nötigen Informationen. Dieser prägte an einer Kreuzung das Bonmot: Toutes Directions est mieux que Autres Directions als er diese beiden Wegweiser vor Augen hatte. Wir trafen die Freunde aus dem Zweitauto auf einem Parkplatz kurz vor Montlucon wieder und machten uns über die Köstlichkeiten her, die Monsieur Gérard auspackte. Feine Rillettes de Carnard, Baguette, Saucisse und Bordeaux Superieure. Ich fühlte: Man gönnt sich ja sonst auch alles.

Es ging weiter, Diesel tanken, vor sich hin dösen, aufschrecken bei Vollbremsungen und den Regen wahrnehmen, der kurz vor Brantôme einsetzte. welches wir kurz nach achtzehn Uhr erreichten.
Ich interpretierte, dass Jean-Claude und ich privat untergebracht seien, bei seinen guten Bekannten, Madam und Monsieur Raymondeau, die anderen vier übernachteten im Hotel. Die Familie Raymondeau servierte uns einen leckeren Likör und Nußbrot, alles aus eigener Produktion. Ich hatte ein herrliches Zimmer mit Doppelbett und Monsieur fuhr uns zum Abendessen in die Auberge du Hussard, eine typische, einfache Bar-Brasserie mit Theken und – Restaurantbetrieb. Mit einfach meine ich nicht primitiv oder ungepflegt sondern zweckmäßig eingerichtet für langes Speisen. Hier trafen wir einige Mitglieder des örtlichen Trüffelvereins und uns wurde ein sehr schmackhaftes Mahl aufgetischt, natürlich immer mit Trüffeln und Foie gras, vollkommen köstlich. Die Stimmung war sehr gut und ich nahm mir vor, in diesem Jahr doch einen Französischkurs zu belegen, denn von dem Gesprochenen konnte ich nur den Gesamtinhalt erfassen, ein Zustand, der sich am nächsten Tag fortsetzte, denn der folgende Samstag gehörte den Truffieren und deren Besitzern.

„Zu Hause“ gab es noch selbst eingelegte Backpflaumen in Eau de Vie und Raymondeau plauderte noch etwas über die Kunst der Trüffierenbewirtschaftung, Behandlung des Bodens und Lage der Fruchtkörper. Ich versuchte, alles in etwa zu verstehen. Er äußerte die Vermutung, dass auch die Trüffeln vom Klimawandel betroffen sind. Um 23:30 Uhr war Schicht.
Nach dem Frühstück mit Lait de Chèvre trafen wir uns am Hotel. Yves und Jean Claude fuhren nach Sorges zum Radiointerview, ich mit den anderen irgendwo in der Nähe oder Ferne von Brantôme zu Truffierenbesichtigungen. Jeder der Besitzer erläuterte seine Weise der Kultivierung und ich kam zur Erkenntnis, dass ich noch nie so wenig verstanden, aber auch noch nie so viel gelernt hatte, wie an diesem Samstag. Bei den Fahrten zu den meist großen Plantagen, durchfuhren wir eine sanft hügelige Kalklandschaft und ich hatte den Eindruck, dass das gesamte Périgord eine einzige Truffière ist. Man erläuterte mir geduldig die Besonderheiten der Trüffelkultur im Périgord. Ich dachte an unsere Truffière, die gegen diese prächtigen Pflanzungen noch verloren wirkte, aber nahm mir vor, die Formen der Diversität, die ich dort sah, in unser kommendes Trüffelparadies einfließen zu lassen.
Mittags trafen wir uns wieder in einem typischen Restaurant und ich lernte Chabrol kennen. Keine berühmte Person, sondern eine Tradition des Périgord. Der Rest der Gemüsesuppe wird mit Rotwein gelöscht und aus dem Teller heraus getrunken, Gérard machte es mir vor, es schmeckte ungewöhnlich. Nach der Suppe gab es Terrine maison, Côte de Porc, Rotwein und Wasser in Karaffen, sowie Käse und reichhaltige Nachtischauswahl. Nach dem Kaffee schnappte ich einen Preis auf, der von Gérard für alles bezahlt wurde. Für jeden nur 10,50 Euro, ich hielt das für einen Tinnitus bedingten Hörfehler. Nach dem guten Essen saß ich plötzlich wieder in Yves Auto. Dummerweise befanden sich aber meine wärmende Jacke und die Wanderschuhe in dem Gefährt, das ich morgens bestiegen hatte und ich fröstelte immer mehr.

 

 

 

 

 

 

Die Trüffieren, die jetzt besucht wurden waren, noch beeindruckender, eine war über dreißig Jahre alt, eher eine Kathedrale aus Chêne vert und Haselnussbäumen, alle Äste dicht mit grünen Flechtenbewachsen. Der Boden war komplettes Brulée, also vom Trüffelmyzel durchsetzt, man ging wie auf einem Teppich, es war aber grober Kalkstein und die neuen Freunde berichteten von Hektarerträgen, die ich neben dem guten Mittagessen erst einmal verdauen musste. Man brauchte hier keine Trüffelhunde, die Fruchtkörper waren an kleinen Bodenerhebungen zu erkennen, kleine Senken verrieten, dass bereits geerntet worden war.
Die Bäume produzierten Trüffel.

Nach weiteren Besichtigungen gelangten wir zunächst zu einem Gehöft und dort in einen Keller ähnlichen Raum voller Fässer und Flaschenregalen. Es war das Refugium des Trüffelvereins, die kulinarische Schatzkammer.
Niedrige Decken, Kalksteinquader, Eichenbalken, Lehm-Kalkboden. Absolut urig. Hier umfassten meine klammen Finger ein Glas voll Pinot und nahmen frisch geschnittenen, gesalzenen Speck mit dickem Fettrand vom Holzbrett, alles schmeckte vorzüglich und die Kälte verzog sich aus meinem Körper. Mir war schon am Abend vorher aufgefallen, dass der Likör nicht der Wein Pinot sein konnte, den ich z.B. aus dem Elsass kannte. So nahm ich mir ein Herz und fragte nach der Zusammensetzung. „Ah oui, il s`appele Pinneau.“ Na klar, Traubensaft war richtig, aber mit Eau de Vie de calvados in einem Verhältnis, das zu Gunsten des Eau de Vie tendierte. Die Trüffelkenner ließen nicht nach, die Wirkung des Pinneau an mir testen zu wollen und so genoss ich als Grundlage reichlich vom Speck, weil ich nicht wusste, wie der Abend sich entwickeln würde. Ich war schon ziemlich satt, als wir zu einer Ferme-Auberge aufbrachen, in der wir auf die örtliche Trüffelprominenz trafen. Es gab zunächst Trüffelhäppchen in Übermengen. Platten von mit Melanosporum getrüffelten Baguettescheiben, moussirenden Wein und andere Aperitivangebote.
Yves kochte in der Aubergeküche ein hervorragendes Menu und der Abend endete erst gegen 1.30 Uhr im Ferienhaus von Michel Lassimouillas in La Tourate, es folgten wenige Stunden mit wenig Schlaf, zu viel Eindrücke, zu viel Wein, zu viel Genuss.
www.gite-la-tourate.com/Bienvenue

Nach dem sehr frühen Frühstück ging es in der Morgendämmerung durch das nebelverhangene Périgord in Richtung Sorges zum Trüffelmarkt. Ich hatte den Anzug bevorzugt, ohne Schlips, warum hätte ich ihn im Koffer lassen sollen? Der dichte Nebel ließ vermuten, dass es ein sonniger Tag werden könnte. Wie Yves den Weg fand war allerdings auch nebulös, aber Jean-Claude dirigierte ihn sicher durch die vielen Kreisverkehre.

In Sorges war bereits zu früher Stunde der Trüffel los. Ein Marché artisanale. Die Markttische bogen sich unter den dargebotenen Köstlichkeiten, an den Käseständen konnte ich alle Käsesorten verkosten, nebenan Gebackenes erwerben. Es duftete herrlich und die Sonne beleuchtete die teilweise romanische Kirche und danach auch die Marktstände. Zum Glück auch bald meine dünne Anzugjacke. Eine Tanz – und Musikgruppe bot Traditionelles dar, die Pâte Bruderschaften durchstreiften in ihren langen Gewändern und unter große Hüten den Markt und waren beliebtes Fotomotiv, für die wenigen Touristen, zu denen ich ja nun auch gehörte. Aus Lautsprechern ertönte die Stimme des Marktmoderators, der die Stimmung und die Lust auf Trüffelkauf verbal erhöhte. Um 9:30 Uhr erklang dann seine handgeläutete Glocke und die Gatter, die Publikum und Händler trennten, wurden geöffnet, alles stürmte zu den Traiteurtischen zum Trüffelausverkauf. Die Preise begannen bei 800 Euro pro Kilo um 11:30 Uhr war alles umgeschlagen, ein durchschnittlicher Markt mit 100 Kilo Gesamtumsatz.
Jean Claude stellte mich Henri Dessolas, Trufficulteur et Sylviculteur vor, einen der Überväter der Trüffelkultivierung und neben Jean-Claude Forscher bei INRA (Insitution Nationale de Recherche Agronomique). Die beiden schenkten mir ein signiertes Buch, das sie zusammen mit Gérard Chevalier, Chef der INRA herausgegeben hatten, Nouveau Manuel de Trufficulture eine Réédition des Klassikers von Docteur Pradel.
Spätestens jetzt war mein verlegenes Erröten nicht mehr auf die frische Morgenluft zurück zu führen.
Ich galt inzwischen ohnehin als der einzige Deutsche, der in Sinzig, nahe Coblence, eine experimentelle Truffière betreibt und ich gab es langsam auf, diese Ansicht zu relativieren.

Ich traf danach auf Patrick Rejoux, der mit Jean-Marie abgesprochen hatte, dass ich einige Kilo Trüffeln, sowie ein Dutzend Flaschen Walnussöl mitbringen solle. Der Deal mit vielen 500 Euro Scheinen, wurde auf dem Parkplatz der Auberge de la Truffe abgewickelt, ein würdiger Ort für solche Transaktionen. Die Trüffeln verschwanden zunächst in der Kühlung des schönen und renomierten Restaurants und wir wandelten nun in den nicht weit entfernten Salle Polyvalente, wo das zwanzigjährige Bestehen des Trüffelvereins von Sorges gefeiert wurde. Brechend voll, dreihundert Feiernde, aber für uns waren Plätze am Table d`Honneur reserviert, alle waren da, fast alle. Gérard Meunier diskutierte vor der Halle über Tuber uncinatum und deren Vorzüge. Ein Truffièrenkollege bezeichnete ihn scherzhaft als Ayatollah d`uncinatum. Mal wieder essen, aber es war selbstschmatzend absolut schmackhaft.
Wir rüsteten uns mit einem schönen Rouge für den Besuch des Trüffelmuseums und fuhren anschließend nach Brantôme zur Stadtbesichtigung. Ich hatte schon befürchtet, dass ich nichts von dieser schönen Stadt sehen würde, bei Tageslicht versteht sich. Dass ich Brantôme doch noch bei Tage zu sehen bekam, lag allerdings nur an der Tatsache, dass eine weitere Truffierenbesichtigung ausfiel, da wir uns mal wieder verfahren hatten und diese einfach nicht fanden.

Ich staunte über die riesigen Höhlen, die in die Kalkfelsen geschlagen waren und zu allerhand Nützlichem dienten, z.B. Lachszucht.

Es folgte ein gemütliches Abendessen bei Michel Lassimouillas und dessen Frau in La Tourate mit getrüffelten Pasteten und Terrinen, Mesentericum- und Melano-Orgien. Klasse Wein und diverse, noch nie genossene, Leckereien.

Ich hatte das Gefühl, dass ich vor zwei Tagen mit Bekannten zu deren Bekannten gefahren war, nun aber mit Freunden bei Freunden saß und köstlich speiste.

Meine Abfahrtsvorhersage für den nächsten Tag zerbröselte wie das gegrillte Brot zum Frühstück und verflüchtigte sich wie der dichte Morgennebel, der La Tourate noch einhüllte. Ich war um kurz vor sechs Uhr aufgestanden und hoffte auf Départ um acht Uhr. Aber ich fügte mich mal wieder in die französische Lebensart. Ich war Erster an der Kaffeemaschine aber alleine. Das Frühstück zog sich dahin. Hätte ich für jedes Wort, das mit Trüffel zu tun hatte, in den drei Tagen einen Euro bekommen wäre ich ein sehr wohlhabender Mensch geworden. Aber ich hatte etwas anderes bekommen, das mich wohlhabend machte, nämlich Zuneigung und Herzlichkeit, Respekt und Freundschaft, Achtung, Wärme und einfühlendes Verständnis, allesamt Variablen, die einen Deutschen therapierten, der ausgezogen war, ein Stück auf der Straße der schwarzen Diamanten des Périgord zu lustwandeln. Fronck aus Deutschland war angekommen in der Welt der Trüffeln und Genüsse und aufgenommen in die Sphäre der Trufficulteures, die alle nette und einmalige Menschen sind und die ihr tiefes Wissen bereitwillig und ohne Überheblichkeit anboten.
Michel erwähnte kurz, dass er auch in der Nähe eine Truffière besäße und schon waren alle im Nebel verschwunden. Abfahrt war erst um 10:30 Uhr, aber c`est la Vie. Eigentlich drängte uns ja auch nichts, nur ich hatte für mich beschlossen doch noch abends den Weg nach Hause zu wagen. Es verlief alles wie geplant, wieder ein Pique-Nique, diesmal in etwa eintausend Meter Höhe, allerdings bei Temperatur dicht am Nullpunkt. Die Vulkankette der Auvergne mit dem Puy de Dôme als Chef, wärmte lediglich den Blick für Außergewöhnliches.
Yves spendierte in seinem Hause noch einen Champagner der ganz feinen Sorte, aber ich signalisierte Jean-Claude durch unruhiges Knabbern an Chips und gesalzenen Erdnüssen, dass ich nach Nancy aufbrechen, wollte, um dann nach Remagen durch zu starten. Er bemerkte es und wir verabschiedeten uns von allen, die mitgereist waren.
Meine Rückfahrt nach Remagen verlief zunächst ohne Probleme, ich wollte in Luxemburg tanken und telefonierte mit Jean-Marie, was mich so ablenkte, dass ich dem grünen Schild nach Treves folgte. Ich bemerkte meinen Irrtum erst, als ich die Kühltürme von Cattenom links von mir sah, eigentlich hätten sie rechts vorbei ziehen müssen. Ich befand mich also auf der Landstraße nach Trier und passierte irgendwann die französisch-deutsche Grenze. Bei Tageslicht und genug Essence im Tank auch sicher romantisch. Der Tankcomputer spielte seine Achtzigkilometerwarnmelodie ab und ich sah mich schon das Walnussöl in den Tank schütten und die Melanos verzehren und dachte an Übernachtung im Megakoffer. Zumal regnete es überreichlich und so merkte ich mal wieder, dass wir das einzige Auto weltweit besaßen, dessen Scheibenwischer nach Betätigung weniger Sicht ermöglichten als vorher.
Siebzehn Kilometer vor Computer berechnetem Spritschluss erreichte ich die einzig offene Tankstelle in Trier. Ich hatte meine Ankunft zu Hause gegen 0:30 Uhr angekündigt, aber etwa eine Stunde verloren.Niemand im Hause fand das tragisch.

Achja, Ansichtskarten hatte ich nicht geschrieben.

Frank-Krajewsk
Foto © Claus Kuhlen

Freuen Sie sich nächsten Sonntag auf ein weiteres, neues Kapitel aus dem spannenden kulinarischem Leben von Frank Krajewski.

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