Der Koch und ich – Kapitel 16 Mit dem Jet zur GETT oder: Die Nacht der Trüffel

Die nächste Reise stand bevor, und Dieter V. und ich planten fleißig. Der Drucker ließ sich nicht beirren und druckte acht Seiten Boarding Pass aus. Was soll ein Drucker auch anderes tun, wenn er nunmal den Befehl hat, acht Seiten zu drucken? Dieter und Frank hatten sich online eingecheckt und befürchteten nun, mit einem Aktenordner in Frankfurt-Hahn zu erscheinen, um nach Montpellier zu fliegen. Zum Glück bot die Darstellung in pdf nur vier Seiten Customer Copy an und die Panik wich. Wir gewannen unsere Fassung zurück. Doch zum Grund der Reise. Unser Verein Ahrtrüffel e.V sollte während der 1ère. Biennale Européenne de la truffe et de la trufficulture in die GETT (Groupement européen truffe et trufficulture) aufgenommen werden und da mal wieder niemand, außer den Pensionären, Zeit hatte, wurde in kleinen Gesprächsrunden beschlossen, dass wir die Ehre haben würden, nach Uzès zu reisen. Da eine bekannte Fluglinie den Hin- und Rückflug für 12 Euro pro Person anbot und damit, inkl. aller Gebühren wie Buchung und Parkplatz, 59 Euro fällig würden, war eine Anreise mit dem Auto ohnehin wenig sinnvoll, zumal unsere Freunde Anne-Marie und Lionel Marquet spontan angeboten hatten, uns zu beherbergen und kulinarisch zu betreuen. So richtig wußten wir allerdings nicht, dass Montpellier 30 km südlich von Aujargues, ihrem Heimatort, liegt und Uzès 40 km nördlich.

Nun gut, Dieter hatte angekündigt, mich um sechs Uhr morgens in Kripp abzuholen und er war beamtenmäßig pünktlich. Wir waren beide, weil nur zehn Kilo Handgepäck erlaubt sind, Anzug bekleidet mit dunklem Rollkragenpullover und erweckten einen geistlichen Eindruck. Man winkte uns wohl deshalb einfach durch die Sicherheitskontrolle am Gate. Der Flug verlief ruhig, die Wolkendecke wurde über den Alpen dünner, und die Mündung des Rhône glitzerte silbrig licht. Etwas mehr als eine Stunde in der Luft wurden wir herzlich von Lionel begrüßt, der uns bereits erwartete und zu Anne-Marie fuhr, die uns herrlich beköstigte. Es gab Penne auf neapolitanische Art und ein wunderbares Dessert.

Der erste Ausflug am Nachmittag führte uns ans Mittelmeer und zwar nach La Grande Motte, einem Yachthafen mit unglaublich vielen und formenreichen Segelschiffen, die in ruhigem Wasser dümpelten und vom Frühling träumten. Was heißt Frühling? Wir hatten Deutschland etwa bei ein Grad plus verlassen, hier waren es vierzehn Grad, die dicke Jacke war eher hinderlich. Die mediterrane Vergetation ließ erahnen, welche klimatischen Bedingungen hier im Sommer vorlägen. La Grande Motte hat eine interessante Architektur aus pyramidenförmigen Gebäuden, die der ganzen Stadt einen extravaganten Schnitt geben. Hotels, Segelyachten und flippige Restaurants lassen vermuten, dass der Ort zum Sehen und Gesehen werden genau richtig ist. Man glaubt den Duft von Sonnencrêmes und exotischen Drinks, sowie knusperiger Grilladen zu erschnüffeln. Eigentlich sind wir fast wortlos an der Mole entlang spaziert und haben uns gefragt, wer solche schnittigen Yachten und Katamarane wohl steuert und vor allem, wer sich so etwas leisten kann. Die Sonne versank bereits in den Fluten des Mittelmeeres, als wir in Le Grau du Roi unsere Visitationen fortsetzten, der größte Yachthafen Europas wie Lionel bemerkte. Wieder zuhause bei den Marquets gab es noch eine Kleinigkeit zu essen, etwas Suppe und Brot mit Thunfischrillettes. Anne-Marie verriet uns das Rezept. Also vor allem Thunfisch, fein geschnittene Echalottes, Kapern, Cornichons, Baies de rose, Olivenöl und etwas Salz. Uns war klar, dass wir dieses Rezept zu Hause ausprobieren würden. Ob es uns so gut gelingt wie Anne-Marie ist nicht sicher, ich hatte aber das Gefühl, dass es kulinarische Köstlichkeiten auf dieser Welt gibt, die sich zu entdecken lohnen, so auch der geschmorte Braten aus dem Kammstück des Schweines mit weißen Coco-Bohnen.

Dass meine Diät-Pläne verschoben werden mussten wurde sehr schnell deutlich. Am Donnerstagmorgen war Truffierenbesichtigung angesagt. Wir trafen Daniel Martin, einen Trüffelanbauer dieser Gegend, der uns bereitwillig seine Anpflanzungen zeigte. Fast alles mit Flaumeichen bewachsene Trüffelparadise. Sein Lagotto lief aufgeregt umher und förderte bald einen Tuber brumale zutage, den Daniel uns großzügig schenkte. Ich versprach ihm, Sporenbilder zu schicken. Dieter genoß den intensiven Duft der schwarzen Kugel und unsere Laune war bestens. Auf der Truffière gab es noch einige trockene Exemplare von Vesse de loup einer Pilzart, die erst zuhause mit einem Pilzbuch geklärt werden konnte, es ist der Riesenbovist, der hier als Zeigepilz für Trüffenl gilt. Wir besuchten das Anwesen von Daniel und er zeigte uns einen in Alkohol eingelegten Tuber aestivum von 832 Gramm. Eine Trüffelmahlzeit für eine ganze Hochzeitsgesellschaft. Daniel gab uns noch einige wertvolle Informationen über die Bewässerung von Plantagen und berichtete, dass er mit Wildschaden, vor allem Wildschwein und Dachs, aber auch mit illegalen Suchern zu kämpfen hat. Eine sehr angenehme und unkomplizierte Begegnung ohne Voreingenommenheit den Greenhorns aus Allemagne gegenüber. Wir taten so, als verstünden wir den schnell gesprochenen südfranzösischen Dialekt, indem wir mit dem Kopf nickten und immer sagten: Oh Oui, à bon?! Wieder in Aujargues erwartete uns Anne-Marie mit dem o.a. Kammstück vom Schwein und Königskuchen. Wir waren die Roix du Gard. Der Nachmittag war für die Besichtigung von Nîmes reserviert. Lionel zeigte uns die Stadt, die Geschichte ausatmet. Ich erinnerte mich an die Eindrücke, die ich gesammelt hatte, als ich vor drei Jahren mit den Dumaines und Erich Stekovics hier weilte, war aber wieder fasziniert von der Arena und den historischen Plätzen, die Nîmes zeitlos machen. Anne-Marie erwartete uns selbstverständlich mit einer sehr leckeren Suppe und Lachs in Gemüsestreifen gedünstet. Lionel wählte den passenden Wein und seine Wahl war hervorragend. Dass es Dessert gab war natürlich sonnenklar. Wir sanken in die Sessel und auch Dieter meinte, dass er langsam seinen Gürtel etwas weiter stellen müßte. Lionel beseitigte diese Vorstellung mit einem Eau de vie aus seiner Schatzkammer. Es war unglaublich, ein winziger Schluck dieser Flüssigkeit ließ uns ehrfurchtsvoll erschaudern. Es war ein Geist aus dem Jahrgang 1909.

Freitag begann mit dem Frühstück und Feigenkonfitüre. Die Sonne lachte, das Thermometer am Haus zeigte beruhigende zwanzig Grad. Wir hatten uns vorgenommen, die Marquets zum Essen einzuladen und zwar in ihrem Golfclub. Vorher besichtigten wir aber noch das Nachbarstädtchen Sommières, das von der Vidourle durchflossen und, wenn es in den Cevennes stark regnet, auch überflossen wird. Bei uns herrschte ungläubiges Staunen, als Lionel die Hochwassermarken zeigte. Soviel Stadt unter innerhalb weniger Stunden ließ die friedliche Idylle nicht vermuten. Die Brücke, von der aus das linke Bild gemacht wurde und die rechts zu sehen ist wir manchmal komplett überflutet, die Einfärbungen an den Häusern, die durch Hochwasser verursacht werden, liegen in sechs Meter Höhe, am Ufer steht die Ruine eines Supermaktes, der völlig weg gespült wurde, nur die Eisenumrahmung blieb stehen.

Das Mittagessen im Club, der in einer wunderschönen Anlage liegt, war sehr lecker. Da läßt es sich prima golfen, auch die dreitausend Euro Jahresbeitrag erschienen uns angemessen. Ich kannte die Küche ja bereits von meinem letzten Besuch. Der Nachmittag wurde in Uzès fortgesetzt, eine sehr schöne Stadt, sauber gemütlich, historisch, anziehend. Einen weiteren Besuch wert. Wir würden ja ohnehin am nächsten Tag zurückkommen. Am frühen Abend hörten wir einen Vortrag von Claude Murat über die Geheimnisse der Genomentschlüsselung des Tuber melanosporum. Durch ein Mißverständnis verpassten wir ein abendliches Buffet, das auf unserem inoffiziellen Plan stand, den wir aber zuhause vergessen hatten. Anne-Marie tröstete uns mit einigen Köstlichkeiten aus ihrer Küche, die sie schnell zubereitete, es gab Pellkartoffeln mit Wildschweinbraten, der, den angeblich nicht vorhandenen, Appetit vertrieb. Lionel fand, wie immer den passenden Wein und die beiden meinten ich spräche französisch wie die Leute in Paris, nur mit mehr Humor. Wir sanken in die Betten und träumten von dem was uns morgen erwartete. Wir hatten für Samstag die Abfahrt auf acht Uhr festgelegt, Anne-Marie hatte Termine, so fuhren wir zu Dritt. Die beiden Hunde von Lionel kläfften uns hinterher. Die Wintersonne stieg über den Horizont, der Mont Ventoux war in der Ferne zu erkennen. Einige Winzer verbranten den Rebenschnitt.

In Uzès wurde bereits am frühen Morgen mit Trüffeln gehandelt, die offenen Kofferräume bedeuteten, genau wie damals in Richerenche „Warte auf Angebote“ Und die gab es reichlich. In Uzès war Markttag. Es wäre leichter anzugeben, was es nicht gab. Trubel, bunte Marktstände, kein Platz mehr frei. Im Bürgermeistersitz trafen wir auf die Ungarn, Bratek und Bene. Wir ließen uns den Kaffee und die frischen Hörnchen schmecken und gingen etwas beklommen in den Sitzungssaal, in dem die Delegationen aus Europa ihre Statements abgeben würden. Die Crême de la Crême war anwesend und wir gehörten dazu. Ahrtrüffel e.V. wurde in Europa etabliert. Monsieur Savignac, der Grand Maître der Trüffelszene leitete die Sitzung souverän und ich ahnte, bereits feuchthändig, dass ich unseren Verein kurz vorstellen musste, schaffte dieses auch in akzentfreiem Französisch mit Kloß im Hals und leichter Schweißbildung auf der Stirn. Dem Applaus entnahm ich, dass ich wohl einigermaßen verstanden wurde. Ich interpretierte aus den Beiträgen dieses Morgens, dass trotz gewisser Unstimmigkeiten Konsens darin besteht, dass der Trüffelanbau eine große Chance für die Regionen in Europa bietet, die über geeignete Verhältnisse verfügen. Gegen Mittag rauchte aber der Kopf und wir waren froh, durch die historische Altstadt wandeln zu dürfen, um in einem Restaurant, gegenüber des alten Bischhofsitzes, ein Mittagessen einnehmen zu dürfen, das ein sehr gutes gastronomisches Niveau hatte. Auch die begleitenden Weine ließen die Stimmung steigen und Herr Savignac gab uns die Ehre. Wir stießen auf Europa an und es wurden neue Kontakte geknüpft, Erfahrungen ausgetauscht und Zusammenarbeit avisiert. Ich musste ständig vom Englischen ins Französische und ins Deutsche wechseln, aber der ausgezeichnete Rotwein erleichterte die Kommunikation erheblich. Vive la France, vive L´europe, vive la truffe.Wir fuhren nach Aujargues zurück, da wir glaubten, den abendlichen Essmarathon nicht ohne eine kleine Ruhepause durchhalten zu können, schließlich waren wir ja schon fast alle über sechzig Jahre alt, wirken aber jünger. Ein erholsamer Mittagsschlaf stärkte uns für das, was kommen wird und es kam.

Wir trafen kurz vor halb acht im Hof des alten Bischhofsitzes ein. Das weiße Zelt, welches hier aufgebaut wurde. wurde schon sehr gut gefüllt. Es gibt Brandade de morue, mit Melanoscheiben, dazu Wein nach Wahl. Sterneköche servieren mit flinken Händen und mit Unterstützung ihre Equipe diese Köstlichkeiten, es herrschte eifriger Betrieb, der Festsaal war noch nicht geöffnet, es duftete nach Stockfisch, Trüffeln und feinen Parfums der Damen. Kurz darauf wurde der Saal geöffnet, es bot sich ein grandioses Bild, weißes Gestühl bei schwarz eingedeckten Tischen. Unglaublich. Es galt, dreihundert Gäste zu bewirten. Auf jedem Tisch befand sich ein Glas, das zwei Périgordtrüffel beherbergte, Hobelbewaffnete Köche warteten darauf, reichlich Scheibchen auf die dargebotenen Köstlichkeiten zu schnipseln. Das Menu war gigantisch, die Weine exquisit, die Stimmung hervorragend. Im Zelt hatten wir ja bereits die Stockfischbrandade genossen, hier ging es weiter mit:

Mise en bouche

Crème de celeri et pomme confite aux truffes, Espuma de panais à la vanille

Entrée

Mousseline de cabillaud confit à la truffe noire, Pomme de Terre des sables tiédie à l`huile d`olive de la chartreuse, Petit toast à la fleur de sel de camargue

Poisson

Bar de ligne pique de truffes, Cremeux oigbon doux de Cévennes, Concassée de châtaigne de pays

Viande

Suprême de volaille des Cévennes truffé sous la peau facon poule au pot

Dessert

Brownie au chocolat et mousse „Gianduja“-Crème glacée au lait truffée

Die Rezeptkreationen der Reihe nach: Olivier Gulizzi-Fabien Fage-Olivier Douet-Jérôme Nutile-Bernard Roth
Wenn ich die Namen heute schreibe duftet es aus der Tastatur nach Trüffeln. Vielleicht beherbergt sie ja ein paar Stückchen.
Champagne Piper Heidsieck en sus gab es für 40 Euro pro Flasche, da konnten wir weder meckern noch nein sagen.

Der Service war perfekt, unhektisch, freundlich und kompetent. Die beteiligten Sterneköche durften sich über einen riesigen Applaus freuen, den sie sich wahrlich verdient hatten. Ich weiß nicht, wie lange noch gefeiert wurde, wir hatten noch fast 40 Kilometer Fahrt vor uns. Frau Marquet machte die Chauffeuse, wir schaukelten selig durch die nächtliche Landschaft du Gard, mein letzter Blick auf die Uhr hielt 1:46 Uhr fest. Welch` ein Tag welch´ eine Nacht. Der Sonntag erlaubte das Schlafen bis kurz vor zehn. Wir hatten uns verständigt, nicht mehr nach Uzès zu fahren, sondern unsere Reise in der näheren Umgebunng ausklingen zu lassen. Das Restaurant L`Olivette in Sommières bot den genussvollen Rahmen. Es gab als Vorspeise etwas Foie gras oder feinen, Chicoree basierten, Salat, dann Loup de mer, flambiert mit dem Rum der Antillen und ein Duo von Crème brulée, der Wein war feiner Weißwein mit aufregendem Aroma. Zuhause bei den Marquets ließen wir als Ausklang etwas Gebranntes über die Zungen streicheln, wir umarmten uns alle herzlich, Lionel fuhr uns nach Montpellier zum Jet nach Hause.

Frank-Krajewsk
Foto © Claus Kuhlen

 

Freuen Sie sich nächsten Sonntag auf ein weiteres, neues Kapitel aus dem spannenden kulinarischem Leben von Frank Krajewski.

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