Information
Johann Lafer wird am Mittwoch, den 27.9.2017 60 Jahre alt. Der österreichische Koch, der höchst erfolgreich zum Altmeister der kulinarischen Fernsehunterhaltung aufgestiegen ist, wird von seinem Verlag ein wenig voreilig mit einem „Vermächtnis“ geehrt. Soweit es bekannt ist, macht der Meister weiter und das nun sogar mit einer eigenen Zeitung: „Lafer – Das Journal für den guten Geschmack“ kommt ebenfalls zu seinem Geburtstag auf den Markt (ich werde darüber hier berichten).
Die Prioritäten Lafers haben sich im Laufe der Zeit deutlich verändert. 1988 bekam er einen zweiten Michelin-Stern und galt mit seiner euro-asiatischen Küche als einer der kreativen Köche im Lande. Im Jahr 2000 erschien von ihm ein großes Buch mit dem Titel „Lebenslust und Tafelfreuden. Die hohe Kunst der kreativen Küche“, in dem es eine Art kreativ angereicherte, klassisch fundierte Küche gab („Gekräuterte Angus-Rinderlende auf Topinambur-Gratin mit gebackener Zucchiniblüte und Pflaumenweinsauce“). Im Zusammenhang mit dem größer werdenden Erfolg als TV-Koch verschob sich das Spektrum dann immer mehr. Im Mittelpunkt steht heute eine populäre, massentaugliche Küche, während die Gourmetküche mit wechselnden Küchenchefs – sagen wir: beibehalten wird. Und noch etwas ist typisch für Johann Lafer: In seiner Brust wohnen zwei Seelen. Die eine, recht große, hat ein unstillbares Interesse an wirtschaftlichem Erfolg. Die andere Seele macht sich ebenfalls immer wieder bemerkbar. Sie will Gutes tun, anerkannt werden als echt bemühter kulinarischer Lehrer der Nation, anerkannt werden als guter Koch.
Das Buch
Zuerst einmal fällt auf, dass es große Ähnlichkeiten zum Buch von 2009 mit dem Titel „Der Grosse Lafer. Die Kunst der einfachen Küche“ gibt. Damals hatte Lafer die Rezepte mit vielen Step-by-Step-Bildern kombiniert und erheblich an Anschaulichkeit gewonnen. Das sollte man wissen, weil man als Besitzer dieses Buches „Das Beste“ nicht unbedingt kaufen muss. Aber lassen wir das, bei den Unmengen von Veröffentlichungen vieler TV-Köche sind Wiederholungen häufiger zu finden. Diese neue Zusammenfassung der „besten Rezepte aus über 40 Jahren Küchenerfahrung“ begnügt sich zu Beginn mit einem kurzen, aber beeindruckenden Porträt der Laufbahn und u.a. einem Einblick in seine „Philosophie“. Lafer will nicht auf „kurzlebige Modetrends“ eingehen und sich auf „gut durchdachte, mit Liebe zum Detail entstandene Antworten auf den Wandel der individuellen Lebensweisen und Bedürfnisse“ konzentrieren. „Ein leiser, stetiger Fortschritt“, heißt es da, „eine solide, ständige Weiterentwicklung sind Johann Lafers Antwort“ auf die Frage, ob es einen „endgültigen guten Geschmack“ gäbe. Nach einer ebenfalls knappen Warenkunde folgen die Rezepte (Fotos: Michael Wissing) in den klassischen Abteilungen „Suppen & Vorspeisen“, „Hauptgerichte und Beilagen“, „Saucen & Dips“, Desserts & Süßes“ und „Kuchen & Brote“. In der Regel sind die Rezepte mit beschrifteten Step-by-Step-Bildern illustriert, was natürlich ein großes Plus ist. Lediglich Varianten kommen nur als Text vor. Durch die konsequent handwerkliche Orientierung des Buches entsteht unbedingt der Eindruck einer kompromisslosen Handreichung – zumal in diesem Buch auch auf ständige Fotos Lafers verzichtet wird. Personenkult braucht er einfach nicht mehr.
Diskussion
Obwohl die Rezepte wie in Erz gegossene Essenzen seiner Erfahrungen wirken, in unzähligen Sendungen und bei unzähligen Veranstaltungen präsentiert und auf den Punkt gebracht, lohnt ein kleiner Blick auf die Details, z.B. beim Coq au Vin. Lafer ist – wie viele Köche seiner Generation – ein klassisch-französisch orientierter „Salz-und Pfeffer“-Koch, der nicht unbedingt auf den möglichst unveränderten Geschmack des Produktes, sondern auf größere Mengen zugesetzter Aromen baut (sind z.B. 750 ml Rotwein plus größere Mengen Fond für die zwei Hähnchen nicht sehr viel?). Außerdem neigt er dazu, Saucen zu binden, was aus sensorischer Sicht eine deutliche Veränderung gegenüber dem klaren, ungebundenen Bratensaft bedeutet. Wie bei vielen Köchen gibt es Ungenauigkeiten bei den Details, also z.B. bei der Benennung eines passenden Weines („Cabernet Sauvignon oder Burgunder“ sind da keine besonders klare Auskunft). Wenn der Leser mit dieser Art, Geschmack zu entwickeln, einverstanden ist, wird er eine extrem solide Handreichung vorfinden, die mit großer Sicherheit zu Erfolg führt. Es wird allerdings deutlich, dass das Programm zwischen Sauerbraten, Risotto und Moussaka, zwischen Königsberger Klopsen und Nasi Goreng, oder zwischen Bratkartoffeln und eingelegtem Kimchi die kulinarischen Entwicklungen der letzten Jahre zwischen Ökologie, Resteverwertung, ungenutzten Teilen von Fleisch und Gemüse und der Verwendung vieler neuer / vergessener Produkte kaum reflektiert – insofern also ein wenig im Gegensatz zu der oben genannten Philosophie steht. Eine Aktualisierung, eine gedankliche Auffrischung und eine kulinarische Weiterentwicklung hin zu einer besseren Produktzentrierung würden sicher nicht schaden. Insofern hat dann dieser Jubiläumsband doch etwas von einem Rückblick und einem „Vermächtnis“.
Vielleicht will Lafer ja einen Punkt machen, sich trotz jahrzehntelanger Erfahrung noch einmal auffrischen und entdecken, wie man eine neue, leichtere, produktnähere Küche für ein großes Publikum entwickeln könnte. Das wäre zweifellos eine interessante Perspektive.
Das Buch bekommt 1 grünes B
Johann Lafer: Das Beste. Gräfe und Unzer Verlag,
München 2017. 552 Seiten, geb., Hardcover, 39,99 Euro
Abb. Buchcover: Gräfe und Unzer Verlag, München