Regio Tapas live!

In der „Dorfstube“ in Düsseldorf-Oberkassel

Information
Die „Dorfstube“ in Düsseldorf ist ein Ableger des gleichnamigen Restaurants im Hotel „Bareiss“ in Baiersbronn im Schwarzwald. Wie dort ist man auf die Regionalküche spezialisiert und glänzt außerdem mit einer ausschließlich aus authentischen, alten Materialien und Antiquitäten zusammengestellten Inneneinrichtung. Verantwortlich für die Düsseldorfer Filiale ist Christian Bareiss, der ältere Sohn von Gastronomie-Institution Hermann Bareiss. In der Düsseldorfer Dorfstube wurde im Jahr 2013 die erste Folge meiner FAZ – Regio Tapas – Serie realisiert. Nach dem großen Erfolg der Tapas-Menüs mit Regionalküche ist man in der dann dazu übergegangen, in den Sommermonaten ausschließlich Tapas zu servieren. Das volle Programm mit einer Auswahl aus 18 Tapas ist noch bis Ende August zu bekommen.
Die Tapas werden in verschiedenen Zusammenstellungen unter den Titeln „Vegi“, „Rustikal“, „Fisch“, „Wald und Wiese“ (jeweils 3 Tapas, 15 Euro), „Klassiker“ und „Fleischeslust“ (jeweils 6 Tapas, 30 Euro) angeboten. Die Mindestbestellung ist ein 3er Set. Darüber hinaus können einzelne Tapas aus dem Angebot zum Preis von 5 Euro zusätzlich bestellt werden.

Tapas Dorfstube 2

Degustation
Man merkt der Küche der Dorfstube unter Sebastian Mülders an, dass hier schon seit Jahren Erfahrungen mit regionalen Tapas gesammelt werden. Tapas sind eben nicht nur kleine Portionen, sondern brauchen eine eigene Logik im Verhältnis zwischen Menge, Nahrhaftigkeit und Würze. Heute wirken die Tapas hier mehr denn je wie eine homogene Angelegenheit, wie aus einem Guss, genau auf den Punkt gebracht und immer so, dass sie auch für sich genommen überzeugen. Auffällig sind auch die Verwendung sehr guter Produkte und deren Garungen, etwa bei der „Geräucherten Forelle aus eigener Zucht mit Spargel-Radieschensalat“, wo präzise Proportionen in der Begleitung dafür sorgen, dass man dieses exzellente Produkt auch wirklich wahrnehmen kann. Dieses Prinzip funktioniert auch beim „Gedünsteten Bachsaibling mit Gurkencarpaccio und Dillschmand“, einer klaren Produktdegustation, oder dem „Filet vom Weiderind mit Gratin-Kartoffeln“ mit seinem wunderbar sauberen, klaren Fleischgeschmack ganz ausgezeichnet. Keines der Produkte wird übrigens durch einen sinnlosen Salz- und Pfeffereinsatz beeinträchtigt. Die Klassiker der (schwäbischen) Regionalküche kommen hier in ausgereifter Form auf den Tisch, also etwa die „Maultäschle in Brühe“ mit feinster Abstimmung und Würze in der Füllung und einer sehr guten Brühe, die „Käsespätzle mit Röstzwiebeln“, die „Blutwurst mit getrockneten Zwiebeln“ oder die “Geflügelleber, gebraten wie bei Muttern, mit Röstbrot“, die durch eine a Point-Garung für die Leber, eine leicht süßliche Schmorgemüse-Begleitung und das rustikal-dunkle, aber wieder in den Proportionen gut durchdachte Brot überzeugt. Andere Klassiker wie das „Angemachte Rindertatar mit Wachtelspiegelei“, die „Mini Wiener-Schnitzelchen mit Schwäbischem Kartoffelsalat“, die „Kalbsfleischpflanzerl mit scharfem Tomatenragout“ oder der „Getrüffelte Rahmspinat mit pochiertem Bio-Landei“ überzeugen wegen einer abgeklärten Realisierung, bei der offensichtlich auch Kenntnisse aus der traditionellen Spitzenküche eine Rolle spielen (etwa beim Spinat mit Trüffeln). Dass man es anders, aber nicht besser machen kann, wird vor allem bei der unübertroffenen „Dorfstuben-Rinderroulade mit Kräuterpüree“ sichtbar, einem Klassiker, bei dem die Beherrschung vieler, in anderen Restaurants oft gar nicht erst bedachter Details für eine ungeahnte Qualität sorgt.

Tapas Dorfstube 3

Diskussion
Man hat bei den Regio-Tapas in der „Dorfstube“ unbedingt das Gefühl von optimierten Kleinigkeiten, die nicht nur stilistisch bereinigt wurden, sondern auch so dimensioniert sind, dass sich – sagen wir: ein für das deutsche Publikum geeignetes Tapas-Bild ergibt. Die Größe der Gerichte ist nicht die von minimalistischen Haut Cuisine-Tapas, sondern eher die von spanischen, „alltagstauglichen Tapas“. Nach einer Faustregel von Christian Bareiss empfiehlt man je nach Appetit 4 bis 6 Tapas. Die größten Anpassungsprobleme hat man bisweilen damit, dass die Gäste (die an die typisch deutschen Hauptgericht-Mengen der bürgerlichen Küche gewöhnt sind) tatsächlich meinen, mit Tapas nicht satt zu werden. Dem ist nicht so. Als ideal empfindet Christian Bareiss einen Vierertisch, der alle Tapas bestellt und sie nach Mezze-Art (den ganzen Tisch voll kleiner Schüsselchen mit verschiedenen Zubereitungen) zur gefälligen Bedienung in der Mitte des Tisches platziert.

Interessant ist vor allem das Feeling, das sich beim Essen dieser deutschen regionalen und/oder traditionellen Gerichte in Tapas-Form einstellt. Es wird unbedingt klar, dass die These, auch die deutschen Klassiker seien im Prinzip genau so gut für jede Form des Essens und der Optimierung geeignet, wie dies entsprechend in Frankreich, Italien oder Spanien der Fall ist, ohne Einschränkungen zutrifft. Wenn man das einmal rein theoretisch als Vision für Deutschland durchrechnet, wird man feststellen, dass das Potential z. B. mit Gerichten aus dem alpinen Raum, aus Berlin, von der See und zusätzlich noch die Degustation roher Produkte (wie Würste und Schinken) sehr groß ist. Zu den „Klassikern“ kämen dann ja eventuell auch noch modernisierte Formen hinzu. In der „Dorfstube“ bleibt man traditionell, serviert also keine modernisierten Fassungen, die das traditionell orientierte Publikum vielleicht irritieren könnten.

Insgesamt wirkt eine Tapas-Angebot wie hier wie der wichtigste Schlüssel zum Aufbrechen überkommener Essgewohnheiten. Hier wird probiert, hier genießt man das Probieren und hier wird man feststellen, wie vielfältig und vor allem gut schon die Küche einer einzigen Region ist. Essen mit Interesse und Neugier statt einer banalen Nahrungsaufnahme. Das ist der erste und wichtigste Schritt.

3 Gedanken zu „Regio Tapas live!“

  1. Dollase: „Das volle Programm mit einer Auswahl aus 18 Tapas ist noch bis Ende August zu bekommen.“
    Im Gegensatz dazu findet sich auf der Homepage des Restaurants (www.dorfstube.de) leider kein einziger Hinweis auf die Regio-Tapas.

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