Thomas Ruhl zum 65. Geburtstag

Na, da hat Thomas Ruhl aber Glück gehabt: wäre er einen Tag später geboren, wäre er jetzt erst 16 oder 17 und dürfte noch nicht einmal in alle Filme… Aber – Spaß beiseite und hin zu einem sehr positiven und guten und entspannten Ernst und damit auch in eine Richtung, in der sich Thomas am wohlsten fühlen dürfte.

Bei der Arbeit im MAAEMO in Oslo

Eine Würdigung seiner Arbeit ist leicht, weil er auf ein immenses Werk zurückblicken kann, und nicht so ganz leicht, weil sein Wirken sehr vielschichtig ist. Thomas kennt die ganze Welt der Gourmandise und die ganze Welt der Gourmandise kennt Thomas Ruhl. – Er ist erst einmal ein hervorragender, immer wieder ausgezeichneter Food-Fotograf. Dann ein Gestalter von Büchern, der in seinen Publikationen einen unverwechselbaren Stil entwickelt hat, den man in Sekunden identifizieren kann. Er ist ein hervorragender Sachbuchautor, der gleich eine ganze Reihe von enzyklopädisch angelegten Büchern vorgelegt hat – neben einer weiteren Reihe von Büchern mit Spitzenköchen.

Er ist der Initiator der CHEF-SACHE, des mit Abstand wichtigsten Köche-Symposiums auf deutschem Boden, die unter seiner Führung zu einem auch international höchst wirksamen Austausch der Arbeit der kreativsten Köche der Welt wurde, und er ist der Macher von „Port Culinaire“, der ebenfalls mit Abstand wichtigsten Zeitschrift des deutschen Sprachraums für ein breit gefächertes Spektrum dessen, was kulinarisch neu und gut ist.

Ruhl im Gespräch mit Eneko Atxa

Thomas Ruhl, der Ansatz: Wissen macht die Welt besser, auch kulinarisch.
Thomas Ruhl ist einer der profundesten kulinarischen Sachkenner, die es gibt. Und – er ist gleichzeitig ein Generalist, der über ein enorm breites Spektrum an Wissen verfügt, wie ein Spezialist, der selbst Profis in allen möglichen Bereichen durch seine Übersicht und sein Detailwissen immer wieder verblüffen kann. Er ist es, der buchstäblich in allen Teilen der Welt Informationen gesammelt hat, direkt, an Ort und Stelle und damit ungebrochen. Dabei scheint er sich grundsätzlich für Alles zu interessieren und nimmt mit seinem wachen Auge Dinge wahr, die viele andere einfach übersehen würden. Hinter all dem steht eine immer wieder aufs neue in Szene gesetzte kulinarische Weltsicht, die davon ausgeht, dass mit Wissen alles besser geht. Und das gilt nicht nur für die Qualität von Produkten, sondern auch für eine durchaus ökologische Weltsicht, in der eine enge Verbindung zwischen Natürlichkeit, Handwerklichkeit, ökologischer Weitsicht und kulinarischer Qualität gezogen wird. Und gerade weil diese Sicht auch für qualitative Hierarchien offen ist (also wirklich dazu steht, dass etwas hervorragend ist), ist sie den bei uns so weit verbreiteten Wissenaufgüssen ohne viel Substanz oft deutlich überlegen. Thomas sagt es nie, aber sein kulinarisches Weltbild ist stimmig und funktioniert und hat vor allem Perspektive.

Thomas Ruhl fotografiert Eneko Atxa

Thomas Ruhl, die Bedeutung: Wo sich Wirkungen wirklich entfalten
Als Journalist und Autor gehört Thomas ganz und gar nicht zu der Art von „Scharmützel-Journalisten“, die sich in jedem Text krampfhaft zu profilieren versuchen oder aus völlig abgegriffenen kulinarischen Mücken immer wieder versuchen, „Themen“ zu generieren, sprich: Elefanten zu machen. Das, was sich selbst in Zeitschriften abspielt, die sich ausschließlich mit Essen befassen, muss ihm ein Grauen sein. Thomas schreibt nur selten für andere Magazine, er ist kein Dauergast in den überregionalen Zeitungen oder irgendwelchen TV-Sendungen. Jene, die dort oft genug ein Wort führen, dass angesichts ihres Kenntnisstandes viel zu groß ist, werden sich wundern, dass sie keinen Einfluss haben, der auch nur im mindesten an den von Thomas Ruhl heranreicht. Wenn man sagt, dass er so gut wie jeden kennt und von allen wesentlichen Leuten in diesem im Hintergrund so diskreten und coolen Gewerbe gekannt wird, dann ist das nicht genau genug. Er wird geschätzt, man nimmt ihn ernst, man weiß, dass sein Wort zählt und er die Dinge aus seiner so hervorragend gefütterten Sicht in einem sehr viel klareren Licht sieht. Er ist natürlich ein hervorragender Netzwerker – wie man heute sagt, aber er macht dies alles mit der Zurückhaltung, die man braucht, um nie die Übersicht zu verlieren. Von ihm erscheinen kaum jemals Kritiken, die für das Aufsehen von Streitigkeiten sorgen, er hält zusammen, er sorgt für Nachschub an immateriell kulinarischer Nahrung, er stabilisiert und fördert immer wieder – und das schon seit vielen Jahren – junge Talente.

in einem Laden mit nordischen Spezialitäten in Oslo

Wenn wir zusammen unterwegs sind, wird nicht unbedingt ununterbrochen geredet. Thomas hat – wie ich selber auch – das Talent zum Einzelgänger oder „Zweizelgänger“ (also mit der u.a. jetzigen Port Culinaire-Chefin Carola Gerfer-Ruhl), gerne erweitert um Odelia, eine Foxterrierin. Wir haben uns noch nie gemeinsam betrunken, und scheinen auch ohne viel Worte bestens koordiniert zu sein. Wir arbeiten gemeinsam, und das auf eine Art, die mir persönlich sehr entgegen kommt und von der ich weiß, dass sie auch sehr vielen Weltklasse-Köchen sehr entgegen kommt. Man macht sein Ding und jeder geht davon aus, dass das, was der andere macht, gut ist und Hand und Fuß hat. Auf diese Weise können großartige Dinge entstehe: kurze Wege, klare Entscheidungen, kein Abschleifen von Individualitäten durch Gremien oder ein dauerndes Hin und Her der Argumente. Wer durch die Resultate seiner Arbeit überzeugen kann, hat immer sehr Vieles auf seiner Seite.

Hoffen wir, dass es bald weiter gehen kann und das Thomas Ruhl, diesem großen Inspirator und Realisator noch sehr lange sehr vieles möglich sein wird.

Alles Gute, mein lieber Thomas, lieber Freund. Wir brauchen noch viel Anregungen, die Baustellen werden bestimmt nicht weniger – sozusagen.

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