Der Koch und ich – Kapitel 8 Bretagne – au revoir

Bretagne – au revoir
Die Fahrten in die Normandie und Bretagne waren zwar anstrengend aber das Reisen  machte Freude, uns  allerdings mehr als den Kindern. Die üblichen Fragen: „Wann sind wir da, fahren wir schon wieder dahin?“ Und die Antworten „Also nächstes Mal woanders hin, ihr dürft euch dann was aussuchen, einverstanden?“

Die Reiseziele waren bei sehr gutem Willen, an einem Tag zu erreichen Wir hatten inzwischen einen roten Ford Bus Econovan, der sparsame Van. Der war so sparsam, dass er im hinteren Bereich keine Heizung hatte und die Kinder, wenn nötig, in Decken gehüllt wurden wenn wir gemeinsam reisten. Wir beschlossen eine dieser Reisen bereits abends anzufahren und hatten den Lieben eine gemütliche Liege im Fond eingebaut, die auch noch Platz für unseren Originalstrandhusky ließ. Das Ziel war ein Ferienhaus in Plougasnou 450 km westlich von Paris und ca. 60 km östlich von Brest. Pointe de Primel in der Nähe. Der Clou in Plougasnou sollte die schuleigene Video C-Kamera werden, die ich mir, ohne Genehmigung der Sportfachschaft, ausgeliehen hatte. Ich war eh der einzige Kollege, der sie souverän bedienen konnte. Dachte ich jedenfalls. Unerklärlich blieb auch mir allerdings das stochastische Ausfallen des Mikrofons. Bereits bei der zu filmenden Ausfahrt aus dem Heimatort fiel die Bemerkung: Ich schmeiße diese Scheißkamera gleich aus dem Fenster. Und sowas zu mir, dem Urlaubsregisseur an sich, Oskar- oder Grammynominierung mehr als wahrscheinlich.

Wir schafften die Strecke, mit Picknickstop, bis hinter Paris und ich musste dann, völlig ermüdet, auf einem Parkplatz Augenpflege betreiben. Wir erreichten unser Ferienhaus am späten Vormittag, aber niemand hatte uns um diese Zeit erwartet. Also erstmal sehr leckeres Mittagsmenü im Ortsrestaurant. Irgendwas mit Part des Anges. Der Patron kannte die Vermieter und äußerte, dass diese in La Rochelle ihren Hauptwohnsitz haben, aber gestern noch im Restaurant gespeist hätten. La Rochelle? Etwa so weit weg wie Paris. Er telefonierte mit ihnen und stellte eine Lösung in Aussicht. Das Essen machte mich noch müder und so vertrieben wir uns die Zeit am nahen Strand. Die Kinder schürften den Ärmelkanal in den Sand und der modellierte Mont St. Michel löste sich in der einsetzenden Flut auf. Gegen 14 Uhr kam es zur Schlüsselübergabe. Der Keeper of the golden Key wohnte nur drei Häuser weiter, ahnte aber nicht, dass Gäste so früh am Tag anreisen. Die nette Wirtin hatte Tags zuvor einen Willkommenskäsekuchen gebacken und auf dem Küchentisch platziert. Leider hatte sie das Fenster schräg gestellt und ich registrierte Heidelberen, die sich bei näherem Hinsehen aber bewegten. Es waren Stubenfliegen und einige Brummer. Das Ferienhaus war zwar strandnah aber doch in dörflicher Lage. Der Kuchen wurde in der Mikrowelle entkeimt und verspeist, die Fliegen mit dem Staubsauger verfolgt, der aber irgendwann abrauchte. Dafür brach der Garderobenständer zusammen und der Hund wälzte sich in einem toten Fisch am Strand. Hmmhh! Zunächst ein komischer Urlaub. Einer der Metzger in diesem bezaubernden Ort verkaufte mir vier Schweinekoteletts, die ich auf dem mächtigen Außengrill mit Röstaromen versah. Sie wurden nicht, wie befürchtet, trocken und zäh, sondern blieben zart und unglaublich schmackhaft. Dass die Kinder sich um die Fettränder stritten konnte ich gerade noch verhindern, indem ich die hellen Streifen selbst verspeiste. Sie hatten ja immerhin noch die Knochen zum Abnagen. Die Videokamera lief heiß, ich filmte alles. Pferderennen im Watt, Kirchen, Strandleben, Citroen DS und den gerade eingedeckten Tisch auf dem der Fussball majestätisch ruhte. Zum Glück funktionierte das Mikrofon gerade bei dieser Szene nicht und das Bild war auch nicht ganz deutlich wegen etwas Butter auf der Linse. Es wurde schließlich aber ein sehr schöner Urlaub, dessen krönender Vorabschluss ein Besuch bei Dumaines und Duchênes, so Colettes Mädchenname, in St. Cornier des Landes war. Eine Gemeinde im Departement Orne in der Region Basse Normandie gelegen. Colettes Eltern bewohnten ein typisch normannisches Haus. Gediegenes Interieur und Backhaus im Garten. Adresse: Le Houx. Es war französischer Nationalfeiertag und Jean-Marie´s Vater hatte zu seinen 50sten Geburtstag eine Menge Gäste eingeladen. In einer hergerichteten Scheune stapelten sich die ländlichen Produkte, auf den Buffettischen, Champagner umspülte die Füße und gurgelte in den Kehlen. Es duftete nach Grilladen, Pasteten, Suppen, Zigarren und nach, was schon? Calvados! Wir wurden selbstverständlich eingeladen hier mitzufeiern und zu übernachten, lehnten aber, aus nicht mehr nachzuvollziehenden Gründen, ab und fuhren noch zur Küste, genauer Seine-Mündung, um dort eine Bleibe zu suchen. Wir waren naiv, oder eher blöd und dachten, es wäre kein Problem, irgend ein Hotel oder eine Pension zu finden. Am vierzehnten Juli findet man aber nichts und so entschlossen wir uns um halb Sieben abends, auf einer Restaurantterrasse Platz zu nehmen und zu speisen. Ich beschränkte mich auf eine rustikale Terrine mit Crudités. Die hätte ich sicher auch bei den Dumaines bekommen. Außer uns und dem Service war niemand da, weder im Restaurant noch draußen. Nach Zimmern zu fragen, trauten wir uns nicht mehr, die vielen Absagen hatten uns genervt. Um zwanzig Uhr sah es anders aus, kein Platz mehr frei, die Franzosen legten los. Wir räumten höflich den reservierten Tisch, starteten den roten Knubbel und fuhren in Richtung Landesinnere, in der Hoffnung, doch eine Bleibe zu finden, aber wir konnten uns mal wieder nicht einigen, wer fragen geht und so zuckelten wir über Land, und erreichten gegen drei Uhr nachts einen Parkplatz an der Autobahn nach Liège Dort versuchten wir auf den wabbeligen Luftmatrazen zu schlafen, mein Kreuz schmerzte und ein Kühllaster, der gegen fünf Uhr seine Aggregate startete, beendete die Nacht schneller als erwartet.

Ich glaube wir waren gegen halb Elf zuhause und ich mal wieder sehr müde. Dennoch freuten ich mich auf die Graupensuppe, die Oma Rilles Ralles nannte und immer gekocht hatte, wenn wir  heimkehrten. Wahrscheinlich machen die Graupen ein ähnliches Geräusch, wenn sie in den Topf rieseln. Rilles Ralles gehört zur guten ländlichen Hunsrücker Küche, Omas frühere Heimat.  Graupen werden auch despektierlich Kälberzähne genannt, was bei manchen Kindern zu lebenslangen Graupensuppenverweigerung führt. Schade. Die moderne Graupensuppe ist ja eher ein Gemüseeintopf mit Graupen als Mitgabe, kein blubberiges Etwas, in dem der Löffel stehen bleibt. Das musste ich früher, also ganz früher ziemlich oft hinunter würgen. Meine Schwiegereltern hüteten immer unser Haus, wenn es uns in die Ferne trieb. Es gab immer viel zu tun. Oma hatte die oberste Gartenaufsicht, über immerhin 2500qm und Opa tapezierte nach ihrer Anweisung alle noch freien Flächen in den vielen Zimmern. Bei uns lebten Schafe und Gänse, die natürlich alle einen Namen hatten und daher für den Kochtopf bei Jean-Marie nicht in Frage kamen. Ich musste sehr kreativ werden, wenn es darum ging, sich von den Tieren zu verabschieden. Irgendwie habe ich das aber gemeistert. „Und, wohin fahren wir nächstes Jahr?“

Frank-Krajewsk
Foto © Claus Kuhlen

Freuen Sie sich nächsten Sonntag auf ein weiteres, neues Kapitel aus dem spannenden kulinarischem Leben von Frank Krajewski.

2 Gedanken zu „Der Koch und ich – Kapitel 8 Bretagne – au revoir“

  1. Am 3. Oktober findet eigentlich immer das Trüffelsymposium im Sinziger Schloss statt, wenn es wieder stattfindet. Aber gegen Deutschland-weites Feiern hätte ich auch so nichts auszusetzen.

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  2. 14. Juli, Frankreich ist dann im Ausnahmezustand, feiern ist angesagt. Man muss mind. 6 Monate vorher, besser noch früher, Hotel und Restaurant reservieren. So ein Feiertag kann und wird es bei uns nicht geben. Oder? Der 3.Oktober könnte eigentlich so ein Tag sein.

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