Paco Morales: Noor. The reinterpretation of Al-Andalus. The gastrocultural project of Paco Morales. Montagud Editores, Barcelona 2019. 320 S., geb., Hardcover , ca. 75 Euro (zweisprachig: spanisch – englisch)

Wenn man nach Lücken im Programm der deutschen Spitzengastronomie sucht, stößt man sehr schnell auf einen ganz bestimmten Typus von Küche, der in anderen Ländern oft recht gut vertreten ist, bei uns aber quasi völlig fehlt. Es geht um eine Küche, die konsequent unsere kulinarischen Traditionen aufgreift und sie so mit kreativen Vorstellungen verbindet, dass sie ihre Identität nicht verlieren. Dieser Stil, den es international in ganz unterschiedlichen Varianten von Massimo Bottura bis zu Quique Dacosta oder Esben Holmboe Bang gibt, ist bei uns bisher noch bei weitem nicht konsequent entwickelt worden.

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Heiko Antoniewicz, Adrien Hurnungee, Thomas Ruhl: Asche. Glut & Feuer. Edition Port Culinaire 2020. 160 S., geb., Hardcover, 29,90 Euro

Der Professor hat wieder zugeschlagen. Die Rolle von Heiko Antoniewicz in der deutschen Gourmandise wird immer klarer. Nehmen wir an, es gäbe eine „Deutsche Hochschule für Kochkunst“ (den Entwurf dazu finden Sie ebenfalls hier bei www.eat-drink-think.de). Dann wäre er Direktor der Abteilung für Kochtechnik und außerdem Leiter des „International Institute for Advanced Culinary Studies“. Wie kein anderer Koch in Deutschland hat sich Antoniewicz nicht nur auf die Entwicklung von Kochtechniken spezialisiert, sondern liefert auch gleich die Rezept-Beispiele dazu.

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Haya Molcho und Söhne: Wien. Food. People. Stories. Christian Brandstätter Verlag, Wien 2020. 289 S., geb., Hardcover, 35 Euro

Vorbemerkung: Es gibt da ein Problem.
Im Prinzip könnte ich diese Besprechung auch in der Abteilung „Gourmet Watch“ machen, weil es hier – unauffällig und gar nicht thematisiert – im Hintergrund um ein ganz spezielles Phänomen und einige wichtige Fragen geht.

Was denkt man sich, wenn ein Buch den Titel „Wien“ hat, das Cover die bunten Ziegel auf dem Stephansdom zeigt und der Untertitel „Food. People. Stories“ lautet? Vermutlich nicht, dass man es aufschlägt und in Tel Aviv landet oder in einem der vielen Viertel in unseren größten Städten, in denen sich diverse Ethno-Küchen angesiedelt haben.

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Attila Hildmann 2014

Vorbemerkung:
In den Jahren 2009 bis 2015 habe ich für die Frankfurter Allgemeine eine wöchentliche Online-Kolumne mit Rezensionen nationaler und internationaler kulinarischer Bücher geschrieben. Es wurden insgesamt 301 Folgen mit etwa 350 Büchern. Die hier aus aktuellem Anlass abgedruckte Folge war die Nr. 246 und stammt aus dem Dezember 2014. Damals war Attila Hildmann „nur“ ein Autor veganer Bücher. Sein Buch hat mich aber – obwohl ich mich ausschließlich auf den kulinarischen Bereich konzentriert habe – in vielerlei Hinsicht auch und gerade ideologisch misstrauisch gemacht. Außerdem fand ich die Rezepte einfach schwach. Aber – lesen Sie selber. Ich habe an dem Originaltext kein Wort geändert.

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Viel Platz für kulinarische Banalitäten, wenig Platz für einen journalistischen Skandal

Ich muss mit einem Lob beginnen, und zwar für einen Text in der Süddeutschen Zeitung, den ich zuerst kaum gefunden habe. Er hat erst einmal mit der Gourmandise nichts zu tun, auf den zweiten Blick aber in gewisser Weise schon, weil schlechte Prioritäten gesetzt werden. Der Text hat die Überschrift „Geld stinkt doch“ und stammt aus der Süddeutschen von Montag, dem 7.9.2020. Ich habe ihn als Ausriss beigefügt. Es geht darum, dass es zwei bekannte „Damen der Gesellschaft“ namens Friede Springer und Liz Mohn gibt, die viel auf ihr Ansehen und auf Kultur achten, aber sehr viel Geld damit verdienen, dass ihnen gehörende Medien unsägliche journalistische Methoden anwenden. Zitat aus dem Text von Detlef Esslinger:

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Viktoria Fuchs: Fuchsteufels Wild. Südwest Verlag/Random House München 2020. 236 S., geb., Hardcover, 25 Euro

Das Interesse an diesem ersten Buch von Viktoria Fuchs vom Hotel und Restaurant „Spielweg“ ist nicht nur kulinarisch, sondern hat auch eine Menge mit der Gastronomie zu tun. Es geht um den Familienbetrieb Fuchs ganz am Ende des Münstertals, um Viktorias Vater Karl-Josef Fuchs und nicht zuletzt darum, dass es hier um einen Schwerpunkt geht, der in einer jüngeren Generation – sagen wir: nicht mehr ganz so selbstverständlich verbreitet ist.

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Das historische Dokument: Die „Sensationelle Hitliste der deutschen Restaurants“, erstellt von den Lesern des „Feinschmecker“, Heft 1, 23. März bis 31. Mai 1983

In diesem Heft aus dem Jahr 1983 stellt der „Feinschmecker“ unter der Überschrift „Dies sind unsere Favoriten“ „die 200 besten Restaurants in Deutschland“ vor. Abgestimmt haben die Leser, und die Redaktion schreibt dazu: „Es ist, finden wir, eine sensationelle Hitliste geworden; denn sie lässt professionellen Sachverstand erkennen, gerechtfertigte Eigenwilligkeiten, erstaunlichen Spürsinn.“ Gegenüber der Seite mit diesem Text findet sich übrigens eine Anzeige für Knoblauch-Quark von Milram. Wenig später gibt es aus der Abteilung „Einfache Rezepte aus der Meisterküche“ Rezepte von Gerhard Gartner (1939–2019), dem ehemaligen Chefkoch vom „Gala“ in Aachen (Nr. 8 auf der Liste, siehe unten).

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Die besten Kochbücher der letzten 30 Jahre. Folge 7

René Redzepi: Noma. Time and Place in Nordic Cuisine. Phaidon, London und New York 2010. 368 S., geb., Ganzleinen. (Deutsche Ausgabe: Noma. Zeit und Ort in der nordischen Küche, Phaidon 2011)

Egal, ob man René Redzepi für genial hält oder mit seiner Arbeit wenig anfangen kann: mit seinem konsequent erarbeiteten Ansatz einer vertieft regional orientierten und gleichzeitig avantgardistischen Küche ist er zu einem der einflussreichsten Köche der letzten Jahrzehnte geworden. Sein erstes großes Buch ist eine Sammlung von kulinarischen Neuigkeiten, wie sie in dieser Massierung extrem selten ist. Es ist das Ergebnis einer Arbeit, die mit dem Willen begonnen hat, die kulinarischen Traditionen der nordischen Länder zu erforschen, vergessene Produkte und Kochtechniken wiederzubeleben und die Traditionen wieder mit der Gegenwart zusammenzubringen.

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Zu dicht! Vor allem jüngere Gourmetköche entwickeln ein großes Problem

Nach einer ganzen Reihe von Besuchen in den Restaurants vorwiegend jüngerer Gourmetköche in der letzten Zeit hat sich ein kulinarisches Problem gezeigt, das in eine Sackgasse und international sogar in die Zweitklassigkeit führen kann. Das Problem ergibt sich vor allem bei Köchen, die mehr oder weniger kreativ kochen, also versuchen, allzu traditionelle oder gebräuchliche Muster zu vermeiden und eigene Akzente zu setzen. Es ergibt sich zudem häufig bei Köchen, die durchaus schon etwas von moderner Sensorik gehört haben, also bei ihren Gerichten ein oft vielfältiges Spiel mit Texturen und Temperaturen betreiben. Das Problem ist, dass sie bei diesem Spiel den aromatischen Bereich meist nicht im Griff haben und zu einem unausgewogenen, nur grob zusammenwirkenden Geschmacksbild kommen, das einfach viel zu verdichtet ist.

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